Die Fassaden der Sagrada Família sind ein komplettes Buch in Stein – geschrieben für Menschen, die nicht lesen konnten. Gaudí wollte, dass auch Analphabeten die biblischen Geschichten verstehen können, deshalb hat er alles in Stein gemeißelt. Viele Touristen hetzen direkt ins Innere und verpassen dabei ein architektonisches Meisterwerk, das die komplette Jesus-Geschichte von der Geburt bis zur Auferstehung erzählt. Lass uns diese steinerne Bibel gemeinsam entschlüsseln!
Das Wichtigste in Kürze:
- Drei Hauptfassaden erzählen verschiedene Lebensphasen Jesu – Geburt, Leiden und Auferstehung
- Nur die Geburtsfassade wurde zu Gaudís Lebzeiten fertiggestellt und zeigt seinen authentischen Stil
- Spätere Interpretationen lösten heftige Kontroversen aus – besonders die Passionsfassade
- Jedes Detail trägt religiöse Symbolik – auch für Nicht-Christen faszinierend zu entschlüsseln
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Die Geburtsfassade: Gaudís persönliches Meisterwerk
Die nach Nordosten ausgerichtete Geburtsfassade ist die einzige, deren Fertigstellung Gaudí noch persönlich miterlebte. Er wählte bewusst diese Ausrichtung, weil der Sonnenaufgang symbolisch für die Geburt Christi steht. Zugegeben, das lag auch daran, dass er um die potenzielle Dauer seines Bauprojekts wusste. Zum Ärger der Stadtbauplaner, die sich aus Sichtbarkeitsgründen für Bevölkerung und Touristen eher für eine andere Stelle entschieden hätten. Doch Gaudí ließ sich nicht aus dem Konzept bringen und schuf bis 1926 die drei großen Portale und vier Glockentürme.
Der Stil weicht bereits vom gotischen Design der Krypta ab und deutet an, dass etwas völlig Einzigartiges entstehen sollte. Diese Fassade zeigt Gaudís authentische Handschrift in ihrer reinsten Form – verspielt, detailreich und voller organischer Formen.
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Portal der Hoffnung: Paradoxe Darstellungen
Das Portal der Hoffnung zeigt eigentlich hoffnungsfeindliche Szenen. Du siehst Herodes‘ Kindermord, die Flucht nach Ägypten und ein Kind mit einer toten Taube. Das mag zunächst widersprüchlich erscheinen, folgt aber Gaudís tieferer Überzeugung.
Gaudí wählte bewusst diese Gegensätze, um zu zeigen, dass Hoffnung gerade in den dunkelsten Momenten entstehen kann. Die scheinbar negativen Darstellungen enthalten versteckte Hoffnungsbotschaften für diejenigen, die genauer hinschauen. Die Flucht nach Ägypten beispielsweise ist gleichzeitig die Rettung des Jesuskindes. Selbst in der Verfolgung liegt bereits der Keim für die spätere Erlösung.
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Portal der Barmherzigkeit: Das zentrale Tor
Das Portal der Barmherzigkeit bildet den Haupteingang und zeigt die zentralen Szenen der Weihnachtsgeschichte. Hier siehst Du die Schlange mit dem sündigen Apfel im Maul, die Krippenszene mit Jesus, Maria und Josef sowie die Krönung Marias durch Jesus. Diese zentrale Position ist kein Zufall – Gaudí wollte, dass jeder Besucher zuerst mit der Barmherzigkeit Gottes konfrontiert wird. Die reichsten Verzierungen und detailliertesten Ausarbeitungen findest Du deshalb genau hier.
Die Krippenszene wirkt trotz der steinernen Ausführung erstaunlich lebendig. Gaudí gelang es, den Figuren eine Natürlichkeit zu verleihen, die in der religiösen Kunst selten erreicht wird.
Portal des Glaubens: Theologische Grundpfeiler
Das Portal des Glaubens ist das komplexeste der drei Portale und zeigt Abbildungen aus den Evangelien sowie die katholischen Glaubensgrundpfeiler. Du siehst die Dreifaltigkeit, die Unbefleckte Empfängnis, die göttliche Weisheit und die Eucharistie. Für Nicht-Theologen mag das verwirrend wirken, aber jedes Symbol folgt einem durchdachten System katholischer Lehre. Die Dreifaltigkeit – Vater, Sohn und Heiliger Geist – bildet das zentrale Element, um das sich alle anderen Darstellungen gruppieren.
Die Unbefleckte Empfängnis bezieht sich auf die katholische Lehre, dass Maria ohne Erbsünde geboren wurde. Diese komplexe Theologie in Stein zu übersetzen, war eine architektonische Meisterleistung.
Die Passionsfassade: Kontroverse in Stein
Die nach Südwesten ausgerichtete Passionsfassade sollte das Leiden und Sterben Christi darstellen. Gaudí begann 1911 in einer eigenen schweren Krankheitsphase mit dem Design – passend zu den Themen Tod und Leiden. Als Gaudí 1926 starb, war die Fassade noch im Bau begriffen. Erst 1988 ging es an die Erschaffung der Skulpturen, für die Josep Maria Subirach [1] gewonnen werden konnte. Subirach nutzte gerettete Zeichnungen Gaudís, aber seine markanten, eckigen Ergebnisse lösten starke Kontroversen aus.
Wo die Geburtsfassade verspielt und organisch wirkt, ist die Passionsfassade bewusst kalt, kantig und düster. Dieser krasse Kontrast war Absicht – er soll den Übergang von Leben zu Tod versinnbildlichen.
Architektonische Besonderheiten der Passionsfassade
Die Vordach-Säulen sehen aus wie Knochen – eine bewusste Anspielung auf Tod und Vergänglichkeit. Der expressionistische Stil unterscheidet sich fundamental von Gaudís organischen Formen an der Geburtsfassade. Subirachs Figuren wirken scharf geschnitten und emotional distanziert. Viele Kritiker bemängelten, dass dieser Stil nicht zu Gaudís ursprünglicher Vision passe. Doch genau diese Kälte sollte das Leiden Christi verstärken.
Gaudí selbst hatte großen Wert darauf gelegt, dass diese Fassade spektakulär werden sollte – so spektakulär, dass er Angst hatte, sich von seinem eigenen Bauwerk zu distanzieren. Subirachs Interpretation erfüllt definitiv diese Erwartung an Spektakel.
Die Fassade der Seligkeit: Zukunftsvision
Die Fassade der Seligkeit wird immer noch gebaut und soll mit vier Türmen und sieben Kircheneingängen die anderen Fassaden übertreffen. Sie erzählt die letzten vier Etappen, die ein Mensch auf dem Weg zur Seligkeit erleben kann. Du wirst dort den Tod, das Jüngste Gericht, die Reise in die Hölle und die schlussendliche Herrlichkeit sehen. Diese Fassade komplettiert Gaudís Vision einer kompletten Heilsgeschichte in Stein.
Der Kreuzgang: Verbindendes Element
Der Kreuzgang umrandet alle vier äußeren Fassaden – ungewöhnlich für einen Kirchenbau, wo er normalerweise innen liegt. Gaudí setzte ihn bewusst außen an, damit das Kircheninnere besser vor Straßenlärm geschützt sei. Der Kreuzgang bindet Sakristei, diverse Kapellen inklusive Taufkapelle und weitere Nebengebäude mit ein. Gleichzeitig ist er für Prozessionen geeignet, die bei Regenwetter nicht im Freien stattfinden können.
Die Portale unterbrechen ihn nur unwesentlich, weil der Durchgang nicht zu sehr gesperrt ist. Du kannst den kompletten Kreuzgang abgehen, ohne Dich über Gebühr mit dem Laufweg beschäftigen zu müssen.
Symbolik und versteckte Details entdecken
Gaudí glaubte nicht, dass Engel Flügel haben müssen, deshalb siehst Du hier Engel mit Musikinstrumenten statt mit Flügeln. Diese Details zeigen seine persönliche Interpretation christlicher Ikonografie. An der Außenseite der Apsismauern tummelt sich allerlei Getier: Salamander, Frösche, Eidechsen, Schlangen und Drachen mühen sich als diabolische Wesen vergeblich, ins Kircheninnere zu gelangen. Dafür leisten sie als Regenwasser-Ableiter praktische Dienste.
Zahlen spielen überall eine wichtige Rolle. Drei steht für die Dreifaltigkeit, zwölf für die Apostel, sieben für die Sakramente. Selbst die Anordnung der Steine folgt oft religiöser Symbolik.
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Praktische Tipps für die Fassaden-Besichtigung
Plant mindestens 20 Minuten nur für die Außenbesichtigung ein, bevor ihr hineingeht. Die Fassaden verdienen genauso viel Aufmerksamkeit wie das Innere. Der beste Fotospot für die Geburtsfassade ist vom kleinen See gegenüber. Das Wasser spiegelt die Kirche und die Bäume verdecken störende Bauelemente. Für die Passionsfassade gehst Du am besten zur Mittagszeit, wenn das Licht die kantigen Formen betont.
Vermeide große Touristengruppen, die oft hastig an den Details vorbeiziehen. Früh am Morgen oder später am Nachmittag hast Du die Fassaden fast für Dich allein.
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Sagrada Família Fassaden: Fazit
Die Fassaden der Sagrada Família sind genauso wichtig wie das berühmte Innere. Hier siehst Du Gaudís Genialität als Geschichtenerzähler – er verwandelte komplexe religiöse Lehren in verständliche Bilder.
Du musst kein Christ sein, um von dieser steinernen Bibel fasziniert zu sein. Die handwerkliche Perfektion und die durchdachte Symbolik sind auch kulturell und künstlerisch beeindruckend. Gaudí schuf einen zeitlosen Zugang zu einer 2000 Jahre alten Geschichte.
Insofern: Hetz nicht direkt ins Innere, sondern nimm Dir Zeit für die Fassaden. Sie erzählen die Vorgeschichte zu dem, was Dich drinnen erwartet.
Hast Du Fragen oder Erfahrungen zu den Sagrada Família Fassaden? Schreib unten in die Kommentare!
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Quellen & Einzelnachweise:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Josep_Maria_Subirachs