Barcelona Superblocks: Ein revolutionäres Konzept der Stadtentwicklung

Letzte Aktualisierung von Johannes

Wir empfehlen sorgfältig ausgewählte Produkte. Bei einem qualifizierten Kauf über unsere Links erhalten wir eine kleine Provision von unseren Partnern, wie z. B. Amazon. Dies verursacht keine zusätzlichen Kosten für dich, ermöglicht es aber, unsere Arbeit zu unterstützen. Alle mit einem * markierten Links sind Affiliate-Links (Werbung).

Barcelona! Wer denkt bei der katalanischen Hauptstadt und Mittelmeer-Metropole nicht zuerst an Kunst, Kultur und ein beeindruckendes Unterhaltungsangebot? Aber was ist mit der Nachhaltigkeit und der Natürlichkeit? Sicherlich gibt es einige sehr bekannte Parkanlagen. Dennoch stehen den Einwohner*innen pro Kopf lediglich 6,6 m² Grünfläche zur Verfügung. In London sind das 27, in Paris rund 31, in Berlin knapp mehr als 44 und in Amsterdam satte 87,5. Kein Wunder also, dass man in Bezug auf die Stadt schnell auch an Luftverschmutzung, einen dichten Verkehr, wenig Verkehrssicherheit für Kinder, Haustiere und Co. und eine wirklich unangenehme Überhitzung im Sommer denkt. Was tun? Das Barcelona Superblocks Konzept nimmt sich der Problematik an. Dabei zielt es im Zuge des Urban Mobility Plans darauf ab, den Verkehr weitgehend, um die Wohnviertel herumzuführen. Schauen wir uns genauer an, wie das aussehen soll!

Was Du in diesem Artikel erfährst?

  • Welche Herausforderungen die Stadt dazu bewogen haben, sich mit dem Barcelona Superblock Konzept genauer zu befassen.
  • Wie sie gestaltet sind und welchen Beitrag die Superillas zur positiven Stadtentwicklung leisten sollen.
  • In welchen Stadtteilen von Barcelona sie bereits stehen und welche Kritik damit verbunden ist.
  • Wie es mit dem Thema Superblocks in puncto deutscher Stadtplanung aussieht.

Die Herausforderung in Barcelona

Großstädte sind laut, kämpfen gegen Luftverschmutzung und besitzen zu wenig Grünflächen. Barcelona ist da keine Ausnahme. Schon in den 1990-er Jahren lag die Lärmbelastung für die meisten Bewohner*innen deutlich oberhalb des von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Wertes [2]. Und diese Zahlen haben sich auch nach der Jahrtausendwende und den ersten Projekten nicht signifikant verbessert. Eine Studie aus dem Jahr 2019 zeigte auf, dass sich hier unter anderem 110 Krebserkrankungen und 525 Fälle von im Kindesalter auftretendem Asthma auf die Luftverschmutzung zurückführen ließen.

Die mangelnde Luftqualität und den Straßenverkehr machen Forscher*innen für tausend vorzeitige Todesfälle verantwortlich. Eine andere, bereits 2015 durchgeführte Studie, nennt nicht minder eindrucksvolle Zahlen. So habe die Luftverschmutzung einen finanziellen Schaden von 6,4 Milliarden Euro verursacht. Dies entspreche rund 3,7 % der Wirtschaftsleistung der Region. Zudem erwies eine Studie aus dem Jahr 2016, dass …

  • die NO2-EU-Grenzwerte an 19 von 24 Messstationen,
  • die PM10-EU-Grenzwerte an 8 von 24 Messstationen
  • und die PM2,5-EU-Grenzwerte an diversen Stationen

… zu hoch ausfielen. Schlecht, denn immerhin gelten die Schadstoffe als Auslöser für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und lebenserwartungssenkend. Weiterer Haken: Es zeigte sich, dass der 2014 im Sinne der Luftqualitätsverbesserung entwickelte Aktionsplan nicht ausgereicht hatte, um eine signifikante Minimierung der Luftverschmutzung zu erzielen.

WHO Luftverschmutzung Richtlinien Infografik
WHO Luftverschmutzung Richtlinien

Was sind die konkreten Knackpunkte?

Ja, man war und ist vom Straßenverkehr abhängig.  Im Jahr 2019 nutzten 40 % der Berufspendler*innen als Fortbewegungsmittel vordergründig das Auto. Das hat sich inzwischen schon etwas geändert. Demgegenüber steht jedoch immer noch eine vergleichsweise geringe Zahl öffentlicher Grünflächen: 6,6 m² fallen pro Person in Barcelona an. Der europäische Durchschnitt liegt bei 14,5 ², die Empfehlung der WHO bei zumindest 10 m²). Wobei die Bevölkerungsdichte Barcelonas im europäischen Vergleich auch eine der höchsten ist.

Parks und andere Grünanlagen sind für das städtische Klima jedoch essenziell. Während Beton und Asphalt wärme speichernd wirken, sorgen Grünflächen für Abkühlung. Ferner spielen sie bei Starkregen auch eine wichtige Rolle für die schnelle Entwässerung.

Kurz: Lebensqualität in Barcelona benötigt Entschlossenheit und kreative Lösungen. Eine potenzielle Antwort auf die drängenden Probleme sind das Konzept der Barcelona Superblocks der Agencia de Ecologia Urbana de Barcelona [3]. Und als Option für eine moderne Stadtentwicklung hat es längst auch international für Furore gesorgt.

Definition und Ziele der Barcelona Superblocks

Die Idee hinter den Barcelona Superblocks ist recht simpel. Durch eine veränderte Organisation des Durchgangsverkehrs entsteht mehr Platz für Fußgänger*innen, Radfahrer*innen und alle, die sich auf der Straße treffen wollen. Das funktioniert so:

Zunächst definiert man den genauen Bereich des Blocks. Aufgrund des schachbrettartigen Straßenmusters der Stadt empfehlen sich dafür Blöcke von ungefähr 400 × 400 Metern. Das entspricht in etwa 3 × 3 Häuserblocken. Anschließend organisiert man die Straßenführung über Einbahnstraßen und Diagonalsperren um. Auf eine Weise, dass der Kfz-Verkehr zugunsten des Radverkehrs und der Fußgänger*innen um den Block herumgeführt wird. Ausnahmeregelungen für Lieferungen zu den Geschäften / Anwohner*innen sind natürlich möglich.

Dabei bleiben einspurige Straßen übrig, die Autos mit maximal 10 bis 20 km befahren dürfen. Dabei müssen sie Fußgänger*innen und Radfahrer*innen stets Vorrang gewähren. Durch das an den Außenkanten der Barcelona Superblocks befindliche ÖPNV-Angebot bleibt die Mobilität jedoch auch ohne Auto groß. In der Konsequenz werden die Straßen zu einem Ort, an dem sich Menschen treffen und aufhalten können. Ein Ort, den man mithilfe von Bäumen und/oder Blumenkübeln begrünt. Einer, der durch das Aufstellen von Parkbänken und Spielgelegenheiten für Kinder für alle Generationen interessant wird. Stichwort sozial- und umweltfreundliche Stadtentwicklung.

Das sind die Ziele der Barcelona Superblocks auf einen Blick:

  • Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen
  • Lärmreduktion, Verbesserung der Luftqualität und Steigerung der Biodiversität
  • Stärkung der Gemeinschaft und Förderung sozialer Interaktionen
  • Integration von Kunstwerken als Beitrag zur kulturellen Vielfalt
  • Einfachheit und Kosteneffizienz: geringe Implementierungskosten bei hohem Nutzen
  • wirtschaftliche Prosperität
How Barcelona's design is SAVING it's FUTURE

Das Video wird von Youtube eingebettet. Es gelten die Datenschutzerklärungen von Google.

Die Basisidee dafür stammte übrigens von Salvador Rueda [1], einem spanischen Umweltingenieur, Energietechniker, Biologen und Psychologen. Er entwickelte im Zuge mehrerer wissenschaftlicher und praktischer Arbeiten den Ansatz des Öko-Systemischen Urbanismus. So konnten erste Barcelona Superblocks schon ab dem Beginn der 2000-er Jahre angedacht werden. 2012 passte er sein Konzept umfangreich an und machte ab 2017 konkretere städtebauliche Modellentwürfe.

Schaffung eines Superblocks

Um einen Superblock in die städtische Architektur zu integrieren, müssen vier wesentliche Etappen bewältigt werden.

Schritt 1 – Bereichsauswahl

Festlegen des Bereichs, gemischte Nutzung und Anbindung an den ÖPNV. Im Zug der Planungsphase analysiert man zunächst den Stadtteil. So lassen sich geeignete Bereiche identifizieren und die bestehenden Verkehrsbedingungen bewerten. Schon jetzt ist es wesentlich, die Bürger*innen und ihre Wünsche, Bedenken und Anregungen in den Planungsprozess einzubeziehen. (Später noch einige Informationen dazu, warum sich dies als so wichtig erwiesen hat.) Ebenso gilt es, rechtliche und verwaltungstechnische Vorbereitungen zu treffen. Darunter fällt unter anderem das Treffen von rechtlichen und verwaltungstechnischen Vorbereitungen. Dazu zählt etwa die Änderung von Verkehrs- und Parkregelungen, städtebaulichen Plänen. Möglicherweise muss man auch bereits bestehende Gesetze und Vorschriften anpassen.

Superblock Konzept Darstellung
Superblock Konzept [10]

Schritt 2 – Verkehrsneuorganisation

Sperrung für den Durchgangsverkehr, Schaffung von Einbahnstraßen und Ausnahmen für Fahrräder und ÖPNV. Es kommt zur Änderung der Verkehrsflüsse im oben beschriebenen Umfang. Zudem wird die Straßengestaltung und -markierung angepasst, um die neue Verkehrsorganisation widerzuspiegeln. Wesentlicher Aspekt dieser Phase ist ferner die verstärkte Integration von öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bussen und Straßenbahnen. Eine Steigerung der autofreien Mobilität gelingt vorrangig dadurch, dass Haltestellen an strategisch günstigen Positionen neu eingerichtet oder dorthin verlegt werden.

Schritt 3 – Parkbeschränkungen

Das Parken ist nun mehr (fast) nur noch Anwohner*innen erlaubt. In der dritten Phase der Entstehung eines Barcelona Superblocks kommt es zu Parkplatzbeschränkungen. Die ermöglichen eine effizientere Raumnutzung. Bei Bedarf kann es auch vorkommen, dass die sich die Parkplatzkosten in Abhängigkeit des Autotyps und Antriebs verändern. Das regt den Umstieg auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel an.

Superblocks Parkbeschränkungen
Parkplatzbeschränkungen in einem Superblock

Schritt 4 – Umgestaltung der Straßen

Entstehen von gemischten Verkehrsflächen, mehr Platz für Radwege und Bäume sowie verbesserte Sicherheit. Im letzten Abschnitt der Entstehung der Superillas geht es darum, die freigewordenen Flächen auszugestalten. Will heißen: Es werden Bäume gepflanzt, Blumenbeete angelegt, Sitz- und Spielgelegenheiten geschaffen. Parallel dazu regt man die Anwohner*innen dazu an, sich aktiv an diesem Prozess zu beteiligen. In diesem Zusammenhang stehen auch das Monitoring und die Evaluierung durch die Stadtverwaltung auf dem Programm. Diese muss sicherstellen, dass die Veränderungen in der Stadtplanung und Architektur positiv greifen und bei Bedarf Anpassungen vornehmen. Dabei ist eine klare, freundliche und effektive Kommunikation mit der Anwohnerschaft wesentlich. Denn wer weiß, was, warum und wie passieren soll, trägt Veränderungen entspannter mit. Oder er/sie unterbreitet bei Bedarf einen differenzierten und konstruktiven Verbesserungsvorschlag.

Aktuelle Standorte der Superblocks in Barcelona

Inzwischen haben mehrere Barcelona Superblocks in der Stadtplanung Berücksichtigung gefunden [11]. Darunter fallen jene in…

  • Gràcia (2003, der erste Superilla-Block, dessen Errichtung wesentlich von den Bewohner*innen des Stadtviertels und der „Agencia de Ecología Urbana“ und ihrem damaligen Direktor, Salvador Rueda, vorangetrieben wurde)
  • Poblenou (2017, das Pilot-Projekt der Stadtverwaltung von Barcelona; eine Erweiterung wurde geplant, bislang aber nicht umgesetzt)
  • Sant Antoni (2018)
  • Horta (2019)
  • Les Corts (2019)
  • Sants (2020) und
  • Eixample (ebenfalls 2020).

Außerdem sind noch weitere Superblocks Barcelona in anderen Stadtvierteln in der Planung. Dazu zählen etwa Gràcia, Sarrià-Sant Gervasi, Nou Barris oder Ciutat Vella. Die genauen Standorte und Zeitpläne sind bisher jedoch nicht bekannt – auch aufgrund der Problematiken in Eixample. Was genau los war? Das ist eine umfangreichere Geschichte …

(Zum Vergrößern auf die Karte klicken)

Herausforderungen, Kritik & Nachteile

Ja, das Konzept der Superillas klingt im ersten Moment sehr einleuchtend. Außerdem wirkt es so, als sei es vorrangig mit Vorteilen verbunden. Dennoch gibt es (noch) einige Knackpunkte. So gab es etwas beim Pilot-Projekt in Poble Nou, dem ersten unter der Kontrolle der Stadtverwaltung gleich richtig Ärger. Diverse Anwohner*innen fühlten sich nicht ausreichend informiert und beschwerten sich persönlich. Die wesentlichen Gründe dafür?

  • Die Umleitung von Buslinien,
  • die Richtungswechsel in den Straßen,
  • das Entstehen von unnötigen Staus sowie
  • der Wegfall von Parkplätzen.

Und nicht nur das, es wurden sogar Twitter- und Facebook-Gruppen gegründet, um den Protesten noch mehr Nachdruck zu verleihen. Diese basierten auch auf der Bemängelung einer angeblich ungünstigen Standortwahl. So wurde kritisiert, dass in der Umgebung lediglich Büros, die nach 18 Uhr nicht mehr frequentiert würden, gelegen seien … man konnte also schon von einer ausgemachten Grundsatzdiskussion sprechen. Von einer, aus der die Stadtverwaltung für die Planung weiterer Superblocks Barcelona Konsequenzen zog. Dazu gehörte primär, die Bewohner*innen des Viertels in die Überlegungen zur Umgestaltung des Stadtbaus deutlich mehr und sofort ab dem Planungsstart einzubeziehen. Das erwies sich etwa in Sant Antoni als Erfolg.

Dennoch ist die Pendlerproblematik nicht zu unterschätzen – immerhin pendeln viele Menschen täglich zur Arbeit und wieder zurück. Es hat sich aber inzwischen gezeigt, dass das Fahrrad und der ÖPNV zu ernsthaften Alternativen werden. Dem Ausbau der Metro und dem Radwege-Netz – auch über die Stadtgrenze hinaus bis an die Anschlussstellen –  sei Dank. Und das über die Stadtgrenze hinaus. Also alles im grünen Bereich? Nicht so ganz, wenn man die Ereignisse in Eixample im Jahr 2023 anschaut …

Das Vorzeigeprojekt, welches das Gesamtkonzept Barcelona Superblocks zum Stocken bringt?

In Eixample begann noch unter Ada Colau die Umgestaltung der Carrer del Consell de Cent. Mit dem Ergebnis, dass die 2,7 km lange verkehrsberuhigte Zone im Mai 2023 ihre Einweihung feierte. Das Problem? In der Zwischenzeit klagten mehrere Parteien, unter ihnen der Unternehmerverband Barcelona Oberta [4], gegen das Projekt. Sie befürchteten unter anderem, dass die Kund*innen durch die geänderte Verkehrsführung wegbleiben würden. Und auch diverse Anwohner*innen bemängelten den zusätzlichen Schmutz, die vielen überlaufenden Mülltonnen und die beeinträchtigte Ästhetik. Stichwort unkoordiniert wirkende gelb-grün-blaue Muster auf den Straßen.

Aber, wie es oftmals ist: Im Laufe der Zeit (von 2020 bis 2023) offenbarten sich immer mehr Vorteile. Sogar die Restaurant- und Geschäftsbesitzer*innen, waren mit der Verkehrsberuhigung und den sich stabilisierenden, ja steigenden Einnahmen zunehmend zufrieden. Pech, denn das für den Fall zuständige Verwaltungsgericht befand im September 2023, dass der Superilla zur alten Verkehrsführung zurückgebaut werden müsse. Schließlich habe der dem Umbau zugrunde liegende Generalplan keine Bevollmächtigung für den doch umfangreichen Eingriff in die Architektur und Straßenführung geboten.

Die Reaktionen der Anwohner*innen fielen empört aus. Etwas zurückbauen, was in ihren Augen die Lebensqualität insgesamt deutlich verbessert habe? Und auch der klagende Unternehmerverband fordert, den Rückbau zu unterlassen. Unter dem Strich sei man doch sehr glücklich. Eigentlich habe man lediglich die unzureichende Kommunikation mit der städtischen Verwaltung zu Beginn der Umsetzung bemängeln wollen …

Das Ende vom Lied? Barcelonas aktueller Bürgermeister, Jaume Collboni, hat die Umsetzung des Konzepts der Superblocks Barcelona erst einmal auf Eis gelegt. Seit Ende 2023 wird nur noch das umgesetzt, was schon vor dem Urteil genehmigt worden war. Die Rathaus-Berufung gegen das Rückbau-Urteil hin oder her. Tatsächlich sind in einigen Bereichen schon wieder Parkplätze statt freier Flächen zu sehen. Und auch ansonsten werden zunächst nur 30 öffentlich zugängliche Innenhöfe begrünt. Merke: Er hat’s doch wieder eher schwer, der Radverkehr …

Die Zukunft: Transformation und digitale Werkzeuge

Wie man sieht, sind die Superblocks Barcelona kein Heilmittel, um alle auf Anhieb gleichermaßen zufrieden an einen Tisch zu bekommen. Ebenso besteht die prinzipielle Gefahr, dass sie einer Gentrifizierung Vorschub leisten, wenn sich die Immobilienwerte aufgrund der gestiegenen Wohn- und Lebensqualität erhöhen. Das wiederum könnte zu mehr Tourist*innen führen, die mit den Einwohner*innen um bezahlbaren Wohnraum konkurrieren könnten.

Eine entsprechende Herausforderung besteht jedoch auch jetzt schon – Stichwort Airbnb. Dabei hat die Stadt inzwischen die Reißleine gezogen. Insofern dürfte sie sich des Problems in Bezug auf die Superblocks Barcelona ebenfalls bewusst sein. Eine Untersuchung der Londoner Low Traffic Neighbourhoods (LTN), die dem katalanischen Konzept ähneln, lässt jedenfalls hoffen. Hier zeigten sich bei einer schlauen und rücksichtsvollen Planung keine bis wenig Differenzen in der Demografie von verkehrsberuhigten und nicht-verkehrsberuhigten angrenzenden Stadtteilen. Insgesamt kommen die WHO, die TU Wien und andere Forschungsstellen und Institutionen wie …

  • das Austrian Institute of Technology (AIT) [5]
  • der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU),
  • der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU)

… zu der Erkenntnis, dass das Konzept der Superillas im Hinblick auf die Qualität der Luft, der Verkehrsführung und des allgemeinen Wohlbefindens in den entsprechend gestalteten Stadtteilen ein hohes Potenzial mitbringt. Und weil es in der Metropole an der Mittelmeerküste bereits mehrere gibt, macht das die Barcelona Superblocks auch zu so interessanten Untersuchungsgegenständen in Bezug auf die Stadtentwicklung.

Zwei wesentliche Trends in der Stadtplanung

  • In den Bereichen Modellierung und Anpassung wird es verstärkt darum gehen, Geodaten mithilfe verschiedener Quellen wie Verkehrszählungen, Sensoren, Satelliten oder Smartphones zu erfassen. Aus diesen lassen sich Rückschlüsse auf die Auswirkungen der Superblocks Barcelona und anderer Städte auf den Verkehr und die Luftqualität ziehen. In der Konsequenz können auf Basis von Verkehrsmodellen unterschiedliche Szenarien durchgespielt werden, wie sich die Superillas noch differenzierter verbessern lassen. Auch in Anbetracht der Auswahl potenzieller Standorte.
  • Infrastrukturelle Veränderungen: Hierbei stehen die Straßengestaltung – auch zugunsten des Radverkehrs – das verstärkte Anlegen von Grünflächen und die Wasserwiederverwertung im Fokus. Speziell die Dach- und Fassadenbepflanzung und die Sammlung und Nutzung von Regenwasser dürften dabei zunehmend wichtigere Rollen spielen.

Superblocks auch in Deiner Stadt?

Superblock in Leipzig
Superblock in Leipzig

In Deutschland verfolgt man das Konzept der Superblocks Barcelona inzwischen ebenfalls mit Aufmerksamkeit. Das beweist unter anderem die 2020 erfolgte Gründung der „Kiezblock“-Kampagne [6], zu der im Februar 2022 54 Berliner Bürgerinitiativen zählten. Stand heute sind es bereits 68. Ihr Ziel ist es, mithilfe einer besseren Vernetzung und Organisation der Anwohner*innen dazu beizutragen, dass entsprechende Superilla-Konzepte verstärkt in die Stadtplanung einbezogen werden. Mit Erfolg, denn inzwischen liegen zahlreiche Umsetzungsbeschlüsse in diversen Bezirken der Stadt vor. Und auch in anderen Städten wie …

  • Darmstadt
  • Hildesheim
  • Stuttgart
  • Leipzig
  • Karlsruhe
  • Wiesbaden
  • Hamburg
  • Köln
  • Hannover
  • München
  • Wuppertal

… interessiert man sich dafür. Diesbezügliche deutsche Meilensteine stellten zudem die folgenden Veranstaltungen dar:

  • Das internationale Meeting unter dem Titel TuneOurBlock: Transforming urban quarters to human scale environments [7]. Es fand vom 11. bis 13. Oktober 2023 in Berlin am dortigen Difu-Standort statt. Dabei bot es verschiedenen Projektpartnern wie der Stadt sowie der TU Wien, dem Geografischen Institut von Slowenien und einigen Berliner Institutionen wie dem RIFS Potsdam – Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit, Changing Cities e. V. die Gelegenheit, ihre Erkenntnisse und Ideen vorzustellen. Ergänzt wurde das Ganze durch Teilnehmer*innen aus verschiedenen Stadtverwaltungen und politischen Vertreter*innen aus Amsterdam, Barcelona, Berlin, Bremen, Brüssel, Gent, Hannover, Leipzig, Lodz, London, Rotterdam und Zürich.
  • Die Superblock-Konferenz in Darmstadt [8] vom 3. bis 5. November 2023. An ihr nahmen 67 Teilnehmer*innen aus 27 Städten in Deutschland, Österreich (Wien) und der Schweiz (Basel) teil. Auch auf ihr diskutierte man darüber, was sich bei der Stadtplanung im Hinblick auf den Klimawandel tun könnte und sollte. Stichwort mehr Grün für mehr Schatten, Kühle und bessere Luftverhältnisse

Eine wesentliche Grundlage für die Umsetzung aller Ideen ist und bleibt dabei aber die Unterstützung von Parteien und Forschungsgesellschaften, die eine Verkehrsentlastung weg vom Auto und hin zum ÖPNV und Radverkehr befürworten.

Du willst selbst in deiner Stadt das Superblock-Konzept anstoßen? Hier sind vier Superblock-PDFs mit allen wichtigen Informationen, die überzeugen.

Häufige Fragen & Antworten

Wo werden neue Superblocks in Barcelona entstehen?

Die Planung der Stadtverwaltung von Barcelona sieht offenbar unter anderem in den Stadtvierteln Gràcia, Sarrià-Sant Gervasi, Nou Barris und Ciutat Vella neue Superillas vor. Allerdings ist bisher nicht bekannt, wo genau sie entstehen sollen und wie der konkrete Zeitplan aussieht. Das liegt daran, dass die Planung aktuell offenbar auf Eis liegt und nur bisher genehmigte Vorhaben umgesetzt werden sollen. Das gilt zumindest für Eixample.

Was sind Superblocks?

Die Barcelona Superblocks setzen sich aus mehreren Häuserblöcken zusammen, in denen man die Kfz-Verkehrsführung weitestgehend aus der Häuserblock-Gruppe heraushält. Dadurch erhalten der Radverkehr und die Fußgänger*innen mehr Platz. Außerdem lassen sich die freigewordenen Flächen begrünen und/oder als Nachbarschaftstreffpunkte nutzen.

Barcelona Superblocks: Fazit

Barcelona hat sich zum Ziel gesetzt, die Grünfläche pro Einwohner*in bis 2030 auf 23 Quadratmeter zu erhöhen. Ob das klappt, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich ist jedoch festzuhalten, dass dank des Superilla-Konzepts Dynamik in die Diskussion rund um die Stadtplanung gekommen ist. Sicherlich lässt sich nicht jede einzelne Idee an jeder Stelle umsetzen. Es tut Projekten im Städtebau aber gut, wenn sie Bestandteil einer breitangelegten öffentlichen Debatte werden. In diesem Zusammenhang zeigt sich bei den Barcelona Superblocks die Relevanz der faktenbasierten Diskussion und des objektiven Bilds der Lage.

Denn: Nicht nur in Barcelona, sondern auch in anderen Städten sind Superillas entstanden. Dadurch ergibt sich bezüglich der Vorteile und Herausforderungen ein immer differenzierteres Bild. Für die katalanische Metropole lasst sich bislang festhalten, dass die Mehrheit der Einwohner*innen und Gewerbetreibenden die Superblocks Barcelona zu schätzen wissen. Weil sie unter dem Strich von weniger Lärm, einer besseren Luftqualität, weniger Hitze und sicheren Straßen für alle profitieren. Wesentlich für ihren Mehrwert bei der Stadtentwicklung ist allerdings eines. Sie dürfen nicht den lokalpolitischen Autoritätskonflikten und einer schlechten Kommunikation mit den lokalen Einwohner*innen zum Opfer fallen. Außerdem muss nicht nur die Regelung des Verkehrs überdacht werden. Es muss auch stichhaltige Wohnkonzepte geben, die der Gefahr einer Gentrifizierung vorbeugen.

Und bezüglich der deutschen Kiezblock-Konzepte? Auch hier wird sich in den nächsten Monaten und Jahren sicherlich noch einiges tun. Grundlage dafür muss allerdings sein, dass man den Fokus vom Auto als wesentliches Verkehrsmittel weglenkt. Vielmehr sollte man sich mehr auf die Ausgestaltung des ÖPNV und der Radwege konzentriert. Denn nur, wenn die ersten Fragen nicht mehr…

  • „Wo kann ich hier parken?“ und
  • „Warum ist diese Straße so schmal, dass ich mit dem Auto nicht mehr durchkomme?“

… lauten, hat das Superblock-Konzept eine Möglichkeit, seine Stärken umfänglicher auszuspielen.

Hast Du Fragen oder Erfahrungen zu den Barcelona Superblocks? Schreib unten in die Kommentare!

Quellen & Einzelnachweise:
[1] https://background.tagesspiegel.de/mobilitaet/salvador-rueda
[2] https://www.who.int/europe/de/publications/i/item/WHO-EURO-2018-3287-43046-60243
[3] https://www.bcnregional.com/
[4] https://barcelonaoberta.cat/en/
[5] https://www.ait.ac.at/en/research-topics/integrated-mobility-systems/projects/superbe
[6] https://www.kiezblocks.de/
[7] https://jpi-urbaneurope.eu/project/tuneourblock/
[8] https://changing-cities.org/superblock-konferenz-setzt-neue-standards/
[9] PaulAsimov, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
[10] Changing Cities e.V., CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
[11] https://www.barcelona.cat/pla-superilla-barcelona/mapa/en/#a_0__&
© OpenStreetMap Mitwirkende

Johannes & Joana von WeLoveBarcelona.de

Wer schreibt hier?

Hey, wir sind Joana & Johannes und schreiben hier seit 2011 über Barcelona. Wir lieben Barcelona & für uns zählt sie zu den schönsten Städten in Europa. Unsere Lieblingsplätze & Must-See Tipps möchten wir nach unzähligen Reisen in die katalanische Metropole gerne mit dir teilen. Mehr Infos über uns.

Wenn Du Fragen & Anregungen hast, dann hinterlasse gerne einen Kommentar oder schreib uns eine Mail.

Komm in unsere Facebook-Gruppe!

Tausche dich mit über 4.000 Mitgliedern über Barcelona in unserer Community aus.

Das könnte dich auch interessieren:

2 Gedanken zu „Barcelona Superblocks: Ein revolutionäres Konzept der Stadtentwicklung“

  1. Gerade den Artikel über Superillas gelesen – sehr informativ. Kennst du die ESu von changing cities?
    Würde ich auch verlinken.

    Grüße aus KA – Lars

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Tickets
City Pässe
Führungen
Unterkunft Tipps